Tagesspiegel-Newsletter

Der Tagesspiegel hat im Newsletter "Leute Friedrichshain" wie folgt über unsere Initiative berichtet. Das Interview führte Corinna von Bodisco mit Inge aus unserem TeamNewsletter Tagesspiegel Logo

Aktive von „Kiez für Alle – Ostkreuz“ sammeln Unterschriften für einen Einwohner*innenantrag zur Verkehrsberuhigung des Friedrichshainer Südkiezes (zwischen Warschauer Straße, Frankfurter Allee, Ringbahn und Stadtbahn): 1.000 gültige Stimmen sollen bis zum 13. Juni zusammenkommen und dem Bezirksparlament übergeben werden. Hinter der Initiative stehen engagierte Nachbar*innen, die sich „nicht mehr nur über den Lärm, Dreck, zu wenig Platz oder andere Probleme im Kiez ärgern, sondern etwas ändern“ wollen. Inge Lechner ist eine der Aktiven.

Der Einwohner*innenantrag zur Verkehrsberuhigung ist das eine, Ihr macht aber noch andere Aktionen: zum Beispiel einen „monatlichen Kiezputz“ und mittwochs wird die Simplonstraße zur Spielstraße. Wäre so etwas nicht Aufgabe der Stadt? „Den Kiez sauber zu halten sollte natürlich nicht einigen wenigen mit Kehrschaufel und Besen auferlegt sein. Das ist einerseits natürlich Sache der Stadt und der BSR, klar. Aber es ist auch Sache der Menschen, die im Kiez leben, den Kiez ein wenig pfleglich zu behandeln. Unsere monatliche Aktion hat natürlich auch nicht den Anspruch, anschließend klinisch reine Parks zu hinterlassen. Wir möchten sensibilisieren und merken auch, dass wir dabei sehr viele Menschen erreichen: Viele stört der Dreck, der Müll, das egoistische Verhalten einiger weniger. Und ist es erst einmal irgendwo dreckig, wird es meist noch schlimmer.“

Eine schicke Webseite mit regelmäßigen Beiträgen, einen Telegram-Kanal für Aktionen und einen Newsletter – wie habt Ihr es geschafft, Euch so professionell zu organisieren? „Das liegt vor allem an unseren vielen Aktiven: Es ist auch für mich immer wieder begeisternd, wie gut die unterschiedlichen Kompetenzen ineinander greifen. Auch interne Meinungsunterschiede und Bewertungen lassen sich in diesem ganz formlosen Team unglaublich angenehm verhandeln. Bestimmt liegt es auch an der Unterstützung von Kiezconnect in Bezug auf Strukturen und Organisation, von Changing Cities bezüglich der Kiezblock-Konzeption und an der starken Vernetzung mit anderen tollen Initiativen aus anderen Kiezen. Wir sind ein Team sehr unterschiedlicher Menschen, sehr offen und – wie ich finde – sehr zielorientiert. Es macht einfach Spaß, so dass es fast von selbst läuft.“

Warum braucht es eine „Kiezverkehrswende“ im Ostkreuzkiez? „Xhain ist ein besonderer Bezirk, hier gibt es Menschen in der Verwaltung, die aktiv daran arbeiten, das Mobilitätsgesetz auf die Straße zu bringen. Doch selbst mit diesen Menschen und der Pandemie als ‚Treiber‘ schneller und kreativer Lösungen (Pop-Up-Radstreifen und temporäre Spielstraßen) dauert die Mobilitätswende viel zu lange. In anderen Bezirken sieht es noch viel trauriger aus, teilweise scheint es in den Bezirksämtern kein Bewusstsein dafür zu geben, dass die Bürger*innen zu großen Teilen nicht mehr zwischen 1960 und 1980 ihren Führerschein gemacht haben. Ein Bewusstseinswandel hat eingesetzt! Nur ein Drittel der Bevölkerung in Berlin hat überhaupt ein Auto zur Verfügung – in Xhain sind es noch weniger – und trotzdem sind auch hier zwei Drittel der Flächen von privaten Autos belegt.“

Wie könnte der „Bewusstseinswandel“ im Straßenraum umgesetzt werden? „Wir müssen die Verkehrswende ‚von unten‘ voranbringen, und das geht am besten ‚vor der eigenen Haustür‘. Es kostet zu viel Zeit, erstmal zehn Jahre zu planen und dann den Ansturm der Bewohner*innen abwehren zu müssen, die sich nicht mitgenommen fühlen. Es braucht gemeinsam ausgehandelte Ideen und Lösungen, die dann schnell und unbürokratisch getestet, evaluiert und verstetigt werden, so wie es jetzt mit den Pop-Up-Radwegen passiert.“

Ist damit gemeint, dass Ihr der Verwaltung Arbeit abnehmt? „Wir gehen in Vorleistung, aber natürlich ist die Idee, dass einerseits mehr Mittel für den Umweltschutz und die menschenfreundliche Gestaltung in die Hand genommen werden – und andererseits durch Beteiligung ein Bewusstsein für die eigene Verantwortung und Wirksamkeit wächst. Wenn der öffentliche Raum wieder öffentlich wird und nicht hauptsächlich Abstellfläche für private Kfz bleibt –, wird hoffentlich auch das Bedürfnis wachsen, das Gemeingut gut zu behandeln und zu nutzen. Ein Zeichen sind die vielen Baumscheiben, die neuerdings im Kiez gepflegt und begrünt werden – ganz ohne Koordination von der Verwaltung, sondern in Nachbarschaftsinspiration und -hilfe! Das macht Hoffnung, ebenso wie die vielen Menschen, die sich für unsere Initiative interessieren, denen wollen wir Mut machen.“

  • Webseite der Initiative: https://kiez-fuer-alle.de
  • Nachbarschaftsfest am 28. Mai: Am morgigen Freitag verwandelt sich von 16-19 Uhr die Modersohnstraße zwischen Revaler Straße und Simplonstraße in „eine Straße nur für Menschen“. Beim Nachbarschaftsfest kann die Straße für Ballspiele, Gummi-Twist, Roller-Skaten genutzt werden – oder, um Nachbar*innen kennenzulernen und den Einwohner*innenantrag zu unterschreiben. Es gibt auch Musik und Redebeiträge. Um 16.30 Uhr singt die Liedermacherin Suli Puschban, das weitere Programm: kiez-fuer-alle.de.
  • Auf der Straße spielen: Mittwochs wird die Simplonstraße zur Spielstraße, die Aktion ist laut Inge Lechner „die Keimzelle unserer Initiative“. Es sei zwar nicht gut, dass Spielstraßen von Ehrenamtlichen „bewacht“ werden müssten. Aber es sei ein Anfang, „den Raum ‚Straße‘ neu zu denken“ und zu einem „solidarischen Miteinander im Kiez zu kommen“.
  • Teil der Kiezblocks. „Kiez für Alle – Ostkreuz“ ist einer von aktuell elf „Kiezblocks“ in Friedrichshain-Kreuzberg. Das berlinweite Ziel: 180 Kiezblocks bis zur Wahl im September.

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